“As an artist you are constantly nowhere”
Ksenija Jovišević kommt mit ihrem Fahrrad an – das ungewöhnlich gut in Schuss ist für serbische Verhältnisse. Sie trägt ein weißes T-Shirt, lange Jeans, Birkenstocks – es ist hier ein ungewohnter Anblick. Ein wenig habe ich das Gefühl, dass auch meine Nachbarn überrascht zuschauen. Eigentlich wollte sie absagen, doch eine junge Frau in ihrem Alter in ihrer serbischen Heimatstadt, dessen Vater aus demselben Dorf stammt wie ihre Familie, muss sie treffen. Und auch ich mag dem Zufall kaum glauben. So sitzen wir in meinem Garten bei 30 Grad unter Obstbäumen, sie isst Johannisbeeren, ich Kekse.
What are you doing here? plautzt Ksenija frei raus. Mit EU-Pass bin ich privilegiert, kann gehen und kommen wie ich möchte. Für Ksenija war das jahrelange die Kernfrage ihres Daseins, und der steinige Weg hinterlässt Spuren. Wie selten mir junge Menschen in Europa begegnen, die kämpfen, um bleiben zu dürfen.
This visa-issue was tough for me. I was just living out of a suitcase and started thinking that I should invest my time in something else that will get my life in order. It brought up doubts about me being an artist. I wish to start thinking about what can I do instead of what am I allowed to do.
In Serbien führt auch Ksenija ein privilegiertes Leben, hat ein eigenes Studio im Haus ihrer Großmutter. Die Mutter war Literaturprofessorin, die Schwester ist Architektin und der Vater wünscht sich für seine Töchter ein stabiles Einkommen. In Belgrad studierte sie an der University of Fine Arts Malerei, anschließend drei Semester an der Städelschule in Frankfurt am Main in der Klasse Willem de Rooijs. Zahlreiche Stipendien im Ausland folgten, immer mit Touristenvisum. Geldsorgen hatte sie in dieser Zeit weniger als nach der Ausbildung.
My parents supported me during my studies in Serbia and I had a scholarship for 1000 best students in the country. I was a Streber and almost the whole day in the studio working. Nobody criticized me. On top, people like to buy from students. When you are a student, you are cheaper and everyone wants to discover diamonds in the rough - especially in renowned art schools as is Städelschule.
Nach dem Abschluss 2012 folgte unmittelbar der Realitätsaufprall und ihre Zweifel wurden lauter. Mehrere Jobs gleichzeitig, wenig Zeit für Kreativität und immer wieder nicht bleiben dürfen. Selbst als Ksenija dieses Jahr zur ARCOmadrid eingeladen wurde, eine der publikumsstärksten Kunstmessen der Welt, verpasste sie den Moment: Ihre dreißig Tage im Schengen-Raum waren aufgebraucht. Das Gespräch reißt ab, ein Düsenjäger fliegt über uns hinweg. Der militärische Flughafen Serbiens ist nur acht Kilometer entfernt.
I knew that I can do it, I was super satisfied with the series I created. The Playtime series is about euphoria and the feeling of missing it. In the end, one might get distracted by all the options and play possibilities. I got inspired by Berlin’s playgrounds, you can give different meanings to the constructions, you can combine them in several ways.
https://arco-exhibitions.ifema.es/en_EN/e-xhibition-2d/8c3344f7-6215-4cd0-84ab-3ecd00da7720.html
In ihren Werken verhandelt sie elementare Aspekte unserer Existenz der Gegenwart. Dabei jongliert sie geschickt mit möglichen Fragen und Lösungen, die sie manchmal auch für sich selbst zu finden vermag.
I googled: How to stop being an artist? Can you imagine, it doesn’t exist! Isn’t art nowadays always contemporary art? Why would I paint - is it just something that would decorate someone's interior? What is an object of desire? Do I consider myself a Serbian artist?
I don’t feel any labels. As an artist, you belong anywhere. Therefore, I like to play with my situation and the notion of endlessly being a tourist.
Doch auch aus ihren Zweifeln schöpft sie künstlerische Qualität. Erfahrungen von hybriden Zuständen, Gefühlen und Existenz-Fragen machen Ksenija Jovišević und ihre Werke aus. Dabei spielt für sie keine Rolle, dass sie eine Frau ist. Gleichwohl nimmt auch sie wahr, dass es die Stunde der Female Artists zu sein scheint. In dem Moment rauscht der nächste Düsenjäger heran. Doch diesmal spricht Ksenija weiter, ich höre nur noch ihre Lippen, die sich bewegen.
It is trendy to follow what female artists are doing. Everyone wants to support women, it is easier at the moment but I am also aware of the struggles. Male artists get supported by their wives, they give their husbands time for work in the studio. They support their wishes. I am asking myself how is it possible to be a mother and at the same time be able to forget everything around while creating?
I have this realistic and dreamy side of myself. I like to be independent and I always had the fighting attitude that I can solve it all!
Ksenija Jovišević lebt seit kurzem als Nicht-Touristin in Berlin und weiterhin zwischen den Orten. Sie hat immer noch mehrere Jobs und verschiedene Versionen ihres Lebenslaufs.
https://www.eugster-belgrade.com/artists/ksenija-jovisevic/
ermöglicht durch ein IJP-Stipendium 2021